K.R.Ä.T.Z.Ä.
KinderRÄchTsZÄnker
im Netzwerk SPIEL / KULTUR
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13. Februar 1997
Pressemitteilung
Schülerklage gegen Unterrichtspflicht
Verwaltungsgericht entscheidet über Protest der
KinderRÄchTsZÄnker gegen Lernzwang
Das Berliner Verwaltungsgericht wird am 14.2.
über die Klage eines Berliner Schülers entscheiden, der eine Unterrichtsbefreiung
im Fach Chemie erreichen will.
Das Berliner Verwaltungsgericht muß entscheiden,
ob das ausführlich begründete Fehlen eines Schülers in einem bestimmten
Unterrichtsfach als unentschuldigt gilt. Der 17jährige Schüler Benjamin
Kiesewetter hatte monatelang die Teilnahme am Chemieunterricht verweigert.
Gegen die Ablehnung seines Antrags auf Befreiung hatte er Klage
eingereicht. Dabei unterstützen ihn die Kinderrechtsgruppe K.R.Ä.T.Z.Ä.,
der Anwalt Jens A. Brückner und namhafte Experten, wie z.B. Hartmut
von Hentig, die sich für ein radikales Umdenken im Bereich Schule
engagieren.
Im einzelnen hatte Benjamin Kiesewetter in der ausführlichen
Begründung für das Fehlen in Chemie erläutert, daß für ihn die Lehrinhalte
des Chemieunterrichts überflüssig seien und daß dieser Unterricht
deshalb seine Zeit und Kräfte verschwende. Erkenntnisse aus Lernbiologie
und Psychologie zeigten, welche Schäden unfreiwilliges Lernen anrichten
könne. Der Chemieunterricht sei auch für den Schulabschluß nicht
von Bedeutung, da er das Fach Chemie nach der 11. Klasse ohnehin
abwählen könne. Schließlich bezog er sich auf eine menschenrechtliche
Position, nämlich das "Recht, sein Lernen selbst zu bestimmen".
Die Schulverwaltung war auf die Gründe nicht eingegangen
und hatte unter Hinweis auf die Unterrichtspflicht eine Ordnungsmaßnahme,
nämlich die Umschulung in ein anderes Gymnasium, angeordnet. Die
sofortige Vollziehung der Umschulung hatte das Landesschulamt jedoch
zurücknehmen müssen.
Die Entscheidung des Gerichts wird mit Spannung
erwartet:
Wenn es dem Antrag auf Befreiung folgt, dann können
sich viele Schüler auf das Urteil berufen. Dies würde zum Umdenken
und zu vielfältigen - nach Aussage der Kinderrechtsgruppe längst
überfälligen - Strukturänderungen im Schulwesen führen müssen.
Lehnt das Gericht die Klage ab, so sei aus den angegebenen
Gründen im vorliegenden Fall "die Anwesenheit im Chemieunterricht
zur sinnentleerten physischen Präsenz reduziert" - so der Rechtsanwalt
in der Klageschrift. Es werde dann offensichtlich, daß Schüler tatsächlich
"Objekte der staatlichen Bildungsmacht" seien. Dies entspreche
dem Bildungsauftrag der Schule nicht.
Im einzelnen führt der Anwalt eine Entscheidung
des Bundesverwaltungsgerichts an, derzufolge die Schulverwaltung
"ohne gesetzliche Grundlage nicht zur Regelung des Schulwesens
befugt ist". Grundlegende Entscheidungen - wie beispielsweise
die Festlegung von Erziehungs- und Bildungszielen - müßten dem Gesetzgeber
vorbehalten bleiben. Nun seien zwar im Berliner Schulgesetz Bildungsziele
abstrakt vorgegeben, aber keine konkreten Unterrichtsfächer zur
Pflicht erklärt worden: "Mit Ausnahme des Religionsunterrichts
sind auch heute die herkömmlichen Unterrichtsfächer nicht gesetzlich
geregelt."
Das Landesschulamt argumentiert hingegen, daß das
"Selbstbestimmungsrecht des Schülers ... zulässigerweise eingeschränkt"
wird, doch darin sieht Anwalt Brückner gerade seine Chance: "Die
Schulpflicht - und daraus folgend die Unterrichtspflicht - stellt
eine Einschränkung von Grundrechten dar mit der Folge, daß dies
nur durch Gesetz (...) erfolgen kann. Da die Einführung des Chemieunterrichts
in Berlin weder durch Gesetz noch aufgrund eines hinreichend bestimmten
Gesetzes erfolgt ist, kann hieraus eine Teilnahmepflicht an dem
konkreten Unterrichtsfach nicht abgeleitet werden."
Die KinderRÄchTsZÄnker weisen auf ihre allgemeine
Forderung hin: Der Ersatz des Schulzwangs durch ein vernünftig gehandhabtes
Bildungsrecht sei eine längst notwendige Maßnahme im Sinne der Gleichberechtigung
der Generationen. "Außerdem widerspricht es demokratischen
Prinzipien, Menschen zum Lernen zu zwingen. Mit der Klage könnten
wir erreichen, daß auch andere Schüler sich gegen stumpfsinniges
Auswendiglernen und fremdbestimmte Lerninhalte wehren."
Zahlreiche weitere Informationen
(u.a. die Klageschrift und den Antrag des Landesschulamtes) finden
Sie in unseren überarbeiteten und aktualisierten Internetseiten.
Auch ein Pressefoto kann man downloaden.
http://privat.schlund.de/kraetzae
Wir freuen uns auf ihren Rückruf:
030/4254532
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