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Auswirkungen von Eltern und Staat auf Summerhill und Sands

Auch bzw. gerade demokratische Schulen existieren nicht losgelöst von der sonstigen Welt. Und deshalb werden sie auch immer wieder mit den Erwartungen dieser sonstigen Welt konfrontiert.
So wird von Schulen allgemein erwartet, daß ihre Abgänger dort Abschlüsse erwerben können. Also wird an beiden Schulen in allen normalen Fächern auf das General Certificate of Secondary Education (GCSE) hingearbeitet.
Damit möglichst alle Schüler die GCSEs erfolgreich bestehen können, folgen die Lehrer weitgehend den staatlichen Lehrplänen - die bekanntlich wenig mit dem Leben junger Menschen zu tun haben.
Ohne diese Erwartungen würde der Unterricht sowohl in Summerhill als auch in Sands eine viel weniger bedeutende Rolle spielen.
Außerdem üben einige Eltern erheblichen Druck auf ihre Kinder und auf die ganze Schule aus. So ist es in Summerhill immer wieder vorgekommen, daß z.B. Eltern aus Japan ihren Kindern Hausaufgaben aufgegeben haben, was natürlich dem Grundsatz der Lernfreiheit entgegenwirkt. Vor allem aber drängen viele Eltern ihre Kinder, den Unterricht zu besuchen.
Auch wenn es in England keine Schulpflicht gibt, so gibt es doch eine Unterrichtspflicht. Und die sahen die Inspektoren, die Summerhill 1999 inspizierten, nicht ausreichend erfüllt und verlangten daher, daß die Teilnahme am Unterricht Pflicht werden müsse - was völlig unvereinbar mit den Grundsätzen von Summerhill ist und auch ignoriert, daß die Schüler, selbst an den zweifelhaften staatlichen Kriterien gemessen, sehr erfolgreich sind. Das Office for Standards in Education (Ofsted), eine zum Bildungsministerium gehörende Behörde, drohte ganz offen damit, Summerhill zu schließen, wenn die aufgeführten „Mängel" - neben der Freiwilligkeit des Unterrichts auch die Tatsache, daß es keine für Jungs und Mädchen getrennten Toiletten gibt - nicht bis Ende des Jahres behoben würden.
Summerhill klagte mit Hilfe eines renommierten australischen Menschenrechts-Anwalts gegen die Auflagen vor dem Independent Schools Tribunal in London. Nach drei von zehn geplanten Verhandlungstagen zog das Bildungsministerium seinen Beschwerdekatalog überraschend zurück. Summerhill kann nun weiter arbeiten wie bisher und wird künftig nicht mehr jährlich, sondern - wie alle anderen nichtstaatlichen Schulen auch - nur noch alle fünf Jahre inspiziert.
Der Umstand, daß Sands und Summerhill keinerlei finanzielle Unterstützung vom Staat bekommen und somit völlig auf Schulgeld und Spenden angewiesen und auch Ermäßigungen nur in beschränktem Umfang möglich sind, führt dazu, daß Kinder aus Familien mit geringem Einkommen keine große Chance haben, Sands bzw. Summerhill zu besuchen. Und auch die anderen Kinder haben es sicherlich schwerer, ihre Eltern zu überzeugen, auf eine demokratische Schule gehen zu dürfen, wenn die Eltern dafür etliche Tausend Mark im Jahr bezahlen müssen.
Trotz dieser - teilweise für die Schule lebensbedrohlichen - Schwierigkeiten haben diese Schulen bewiesen, daß Demokratie und Lernfreiheit auch unter den jetzigen gesellschaftlichen Bedingungen funktionieren können.

Martin Wilke

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