Briefe an Parteien anläßlich der Koalitionsverhandlungen

Brief an die SPD

K.R.Ä.T.Z.Ä.

KinderRÄchTsZÄnker

im Netzwerk SPIEL / KULTUR Prenzlauer Berg e.V.
Dunckerstraße 11, 10437 Berlin
030 / 44 797 2-2, Fax -0
kraetzae@kraetzae.berlinet.de


 

SPD -

Verhandlungskommission der

Koalitionsverträge

mit Bündnis 90 / Die Grünen

 

Berlin, 02. Oktober 1998

 

Gesetzliches Züchtigungsverbot

"Kinder haben das Recht, gewaltfrei aufzuwachsen" statt "gewaltfreie Erziehung"


 

Sehr geehrte Mitglieder der Verhandlungskommission,

wir, die Kinderrechtsgruppe K.R.Ä.T.Z.Ä., bitten Sie, sich dafür einzusetzen, daß ein gesetzliches Züchtigungsverbot im Koalitionsvertrag mit Bündnis 90 / Die Grünen als Ziel verankert wird.

Die SPD hat sich in der Vergangenheit des öfteren dafür ausgesprochen, Gewalt gegen Kinder gesetzlich zu verbieten. In der Anlage haben wir Ihnen einschlägige Textstellen aus Gremien und dem Wahlprogramm der SPD sowie von SPD-Politikern zusammengestellt. (siehe Anlage 1)

Es ist davon auszugehen, daß Bündnis 90 / Die Grünen einem gesetzlichen Züchtigungsverbot zustimmen werden. Im Parteiprogramm von Bündnis 90 / Die Grünen ist zu lesen:

"Wir wollen, daß gesetzlich eindeutig und unmißverständlich klargestellt wird, daß Kinder gewaltlos zu erziehen sind. Ein Recht zum Prügeln von Kindern darf es nicht geben."

Die Formulierung "gewaltfreie Erziehung" halten wir allerdings für widersprüchlich und lehnen sie deshalb ab. "Erziehung" ist ein oft ungenau verwendeter und mißverständlicher Begriff. Zahlreiche Autoren, Wissenschaftler und viele andere weisen auf den Machtanspruch hin, den der Begriff "Erziehung" beinhaltet. "Erziehung" meint herkömmlicherweise, daß Erwachsene ihre Vorstellung darüber, wie ein Kind sein soll - auch gegen den Willen des Kindes - durchsetzen. Die dazu notwendigen Machtmittel wie z.B. Drohungen, Strafen und Verbote sind zwar üblich, stellen aber eine Form von Gewalt dar.

Daher schlagen wir anstelle von "gewaltfreier Erziehung" eine neutrale Formulierung vor, z.B. "Kinder haben das Recht, gewaltfrei aufzuwachsen".

Als Argumentationsmaterial schicken wir in der Anlage unseren Grundsatztext "Züchtigung verbieten!".

Wir werden ihre Vereinbarungen in dieser Angelegenheit sehr aufmerksam verfolgen. Falls wir Sie unterstützen können, tun wir das gern. Wir hoffen sehr, daß wir in jedem Fall eine Nachricht von Ihnen erhalten.

Für den Fall, daß Sie unserem Anliegen nicht folgen, bitten wir sie vielmals um eine entsprechende Erläuterung.

Vielen Dank für Ihre Mühe und viele Grüße

Paula Sell, Christoph Klein, Benjamin Kiesewetter, Mike Weimann, Martin Wilke

und viele andere KinderRÄchTsZÄnker


Anlage 1

SPD-Stimmen zum Züchtigungsverbot

 

Wahlprogramm der Berliner SPD 1995:

"Kinder haben einen Anspruch auf Schutz vor jeglicher Form der Gewalt. Niemand hat ihnen gegenüber ein Züchtigungsrecht."

 

25.09.1997 im Deutschen Bundestag

MdB Thomas Krüger, Wilhelm Schmidt (Salzgitter) und Gert Weisskirchen (Wiesloch) (alle SPD) zur Abstimmung über den Gesetzentwurf zur Reform des Kindschaftsrechts:

"Die von der SPD-Bundestagsfraktion vorgelegten Änderungsanträge zur heutigen Debatte zeigen auch aus unserer Sicht einige besondere Schwachstellen im Gesetzentwurf auf. Ein eingeschränktes Züchtigungsrecht entspricht inhaltlich eben nicht dem normgegebundenen Ziel der gewaltfreien Erziehung."

 

26.09.1997 in der Zeitung "Rundschau"

Frau Ridder-Melchers

(Ministerin für die Gleichstellung von Frau und Mann in Nordrhein-Westfalen):

"Es geht (...) darum, ein gesetzliches Leitbild vorzugeben, das Gewalt als Mittel der Erziehung ausschließt. Deshalb will ich, daß wir klar sagen: Kinder sind gewaltfrei zu erziehen. Denn wer im Kinderzimmer lernt, daß mit körperlicher Überlegenheit Konflikte scheinbar gelöst werden, wird auch als Erwachsener zuschlagen."

 

30.06.1997

SPD - AG Rechtspolitik:

"So bleibt etwa die Ächtung jedweder seelischer und körperlicher Gewalt bei der Erziehung von Kindern, am besten durch Ergänzung des Grundgesetzes, noch zu vollenden. Dafür wird sich die SPD weiter einsetzen."


zurück nach oben

Brief an Bündnis 90 / Die Grünen

K.R.Ä.T.Z.Ä.

KinderRÄchTsZÄnker

im Netzwerk SPIEL / KULTUR Prenzlauer Berg e.V.
Dunckerstraße 11, 10437 Berlin
030 / 44 797 2-2, Fax -0
kraetzae@kraetzae.berlinet.de


 

Gunda Röstel, Jürgen Trittin,

Joschka Fischer, Kerstin Müller

Partei- und Fraktionssprecher von

Bündnis 90 / Die Grünen

 

Wichtig für Koalitionsverhandlungen!

02. Oktober 1998

 

Gesetzliches Züchtigungsverbot

"Kinder haben das Recht, gewaltfrei aufzuwachsen" statt "gewaltfreie Erziehung"


 

Sehr geehrte Gunda Röstel, Joschka Fischer, Kerstin Müller, Jürgen Trittin,

wir, die Kinderrechtsgruppe K.R.Ä.T.Z.Ä., bitten Sie, sich dafür einzusetzen, daß ein gesetzliches Züchtigungsverbot im Koalitionsvertrag mit der SPD als Ziel verankert wird. Rita Grießhaber, Vertreterin von Bündnis 90 / Die Grünen in der Kinderkomission, nennt dies "unsere wichtigste parlamentarische Initiative". Im Parteiprogramm von Bündnis 90 / Die Grünen steht:

"Wir wollen, daß gesetzlich eindeutig und unmißverständlich klargestellt wird, daß Kinder gewaltlos zu erziehen sind. Ein Recht zum Prügeln von Kindern darf es nicht geben."

Wir haben eigentlich kaum Zweifel daran, daß die SPD dieser Forderung zustimmt. Die SPD hat sich in der Vergangenheit des öfteren dafür ausgesprochen, Gewalt gegen Kinder gesetzlich zu verbieten. In der Anlage haben wir Ihnen einschlägige Textstellen aus Gremien und dem Wahlprogramm der SPD sowie von SPD-Politikern zusammengestellt. (siehe Anlage 1)

Die Formulierung "gewaltfreie Erziehung" halten wir allerdings für widersprüchlich und lehnen sie deshalb ab. "Erziehung" ist ein oft ungenau verwendeter und mißverständlicher Begriff. Zahlreiche Autoren, Wissenschaftler und viele andere weisen auf den Machtanspruch hin, den der Begriff "Erziehung" beinhaltet. "Erziehung" meint herkömmlicherweise, daß Erwachsene ihre Vorstellung darüber, wie ein Kind sein soll - auch gegen den Willen des Kindes - durchsetzen. Die dazu notwendigen Machtmittel wie z.B. Drohungen, Strafen und Verbote sind zwar üblich, stellen aber eine Form von Gewalt dar.

Daher schlagen wir anstelle von "gewaltfreier Erziehung" eine neutrale Formulierung vor, z.B. "Kinder haben das Recht, gewaltfrei aufzuwachsen".

Als Argumentationsmaterial schicken wir in der Anlage unseren Grundsatztext "Züchtigung verbieten!".

 

Wir werden ihre Vereinbarungen in dieser Angelegenheit sehr aufmerksam verfolgen. Falls wir Sie unterstützen können, tun wir das gern. Wir hoffen sehr, daß wir in jedem Fall eine Nachricht von Ihnen erhalten.

Für den Fall, daß Sie unserem Anliegen nicht folgen, bitten wir sie vielmals um eine entsprechende Erläuterung.

Vielen Dank für Ihre Mühe und viele Grüße

Martin Wilke, Christoph Klein, Mike Weimann, Benjamin Kiesewetter, Paula Sell

und viele andere KinderRÄchTsZÄnker


Anlage 1

SPD-Stimmen zum Züchtigungsverbot

 

Wahlprogramm der Berliner SPD 1995:

"Kinder haben einen Anspruch auf Schutz vor jeglicher Form der Gewalt. Niemand hat ihnen gegenüber ein Züchtigungsrecht."

 

25.09.1997 im Deutschen Bundestag

MdB Thomas Krüger, Wilhelm Schmidt (Salzgitter) und Gert Weisskirchen (Wiesloch) (alle SPD) zur Abstimmung über den Gesetzentwurf zur Reform des Kindschaftsrechts:

"Die von der SPD-Bundestagsfraktion vorgelegten Änderungsanträge zur heutigen Debatte zeigen auch aus unserer Sicht einige besondere Schwachstellen im Gesetzentwurf auf. Ein eingeschränktes Züchtigungsrecht entspricht inhaltlich eben nicht dem normgegebundenen Ziel der gewaltfreien Erziehung."

 

26.09.1997 in der Zeitung "Rundschau"

Frau Ridder-Melchers

(Ministerin für die Gleichstellung von Frau und Mann in Nordrhein-Westfalen):

"Es geht (...) darum, ein gesetzliches Leitbild vorzugeben, das Gewalt als Mittel der Erziehung ausschließt. Deshalb will ich, daß wir klar sagen: Kinder sind gewaltfrei zu erziehen. Denn wer im Kinderzimmer lernt, daß mit körperlicher Überlegenheit Konflikte scheinbar gelöst werden, wird auch als Erwachsener zuschlagen."

 

30.06.1997

SPD - AG Rechtspolitik:

"So bleibt etwa die Ächtung jedweder seelischer und körperlicher Gewalt bei der Erziehung von Kindern, am besten durch Ergänzung des Grundgesetzes, noch zu vollenden. Dafür wird sich die SPD weiter einsetzen."

zurück nach oben