Pressemitteilung zur Abweisung der Klage

14. September 1998
Klage für Kinderwahlrecht erneut aus formalen Gründen abgewiesen
Kinderrechtsgruppe K.R.Ä.T.Z.Ä. sieht Verstoß gegen das Rechtstaatsprinzip
Das Berliner Verwaltungsgericht hat die Klage des 17jährigen Schülers Robert Rostoski, der an der Bundestagswahl teilnehmen wollte, als nicht zulässig abgewiesen. Der angestrebte Verwaltungsrechtsweg sei nicht gegeben, weil ein "besonders gestalteter Instanzenweg" vorgesehen sei, wenn das Wählerverzeichnis beanstandet wird. Damit ist das Gericht erneut einer inhaltlichen Auseinandersetzung um das politische Grundrecht des Wählens ausgewichen.

Nach einem einstündigen Gerichtsverfahren hat das Berliner Verwaltungsgericht über die Klage des 17jährigen Schülers Robert Rostoski entschieden, der beantragt hatte, ins Wählerverzeichnis eingetragen zu werden. Die Klage wurde abgewiesen, weil das Verwaltungsgericht nach Meinung des Richters nicht in die Durchführung der Bundestagswahl eingreifen dürfe.

Da es im vorliegenden Fall nur um einen konkreten und einmaligen Vorgang gehe, gelte die Vorschrift des Bundeswahlgesetzes, wonach ein Einspruch gegen die Eintragung ins Wahlverzeichnis als reiner Verwaltungsakt vom Wahlleiter endgültig beschieden werden könne. Eine gerichtliche Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Bundeswahlgesetzes ist damit nach Auffassung des Verwaltungsgerichts ausgeschlossen. Dies sei, so der Rechtsanwalt der Kinderrechtsgruppe, "ein Verstoß gegen die Rechtswegegarantie und das Rechtsstaatprinzip." Da jedes andere Gesetz eine Prüfung auf Grundgesetzverträglichkeit zuläßt, wird dem Wahlgesetz vom Gericht eine Sonderstellung zugewiesen.

Darüberhinaus habe sich das Gericht mit dem Abschneiden des Rechtswegs über den Bescheid des Wahlamtes hinweggesetzt. Dieser hatte ausdrücklich in der Rechtsmittelbelehrung auf die Klage vor dem Verwaltungsgericht verwiesen.

Anstelle der Klage sei gemäß des Richterspruches ein "Wahlprüfungsverfahren" nach dem Bundeswahlgesetz angemessen. Entsprechend müßten sich Kinder und Jugendliche mit ihrer "Rüge, zu Unrecht von der Bundestagswahl ausgeschlossen worden zu sein" letztendlich an das Bundesverfassungsgericht wenden. Das Verwaltungsgericht könne hingegen nur entscheiden, wenn es ein "zu abstrahierendes Feststellungsinteresse" gäbe. Dies sei nicht der Fall, da sich die Klage lediglich auf die unmittelbar bevorstehende Wahl bezöge.

Robert Rostoski und die ihn unterstützende Kinderrechtsgruppe K.R.Ä.T.Z.Ä. zeigten sich von der Entscheidung des Gerichts enttäuscht. Es hätte die Klage gemäß Art. 100 Grundgesetz (GG) an das Bundesverfassungsgericht verweisen können, da laut Art. 20 GG "alle Staatsgewalt vom Volke ausgehe" und von diesem "in Wahlen (...) ausgeübt" werde. Diese Staatsfundamentalnorm, die das Demokratieprinzip konkretisiere, werde schließlich bis heute durch das Wahlgesetz mißachtet. Schließlich seien dadurch Kinder und Jugendliche – ca. 20% des Volkes – vom politischen Grundrecht auf Mitbestimmung ausgeschlossen. Insofern gehe es im vorliegenden Verfahren um weit mehr als die Teilnahme von Robert Rostoski an der bevorstehenden Bundestagswahl und ein "zu abstrahierendes Feststellungsinteresse" sei sehr wohl gegeben. Sich auf formale Aspekte zurückzuziehen sei der einfachste Weg, der Frage nach einem Kinderwahlrecht aus dem Weg zu gehen.

Nach Meinung von K.R.Ä.T.Z.Ä. können mit der Einführung des Wahlrechts ohne Altersgrenzen wesentliche Verbesserungen der Lage von Kindern und Jugendlichen in der Schule, in der Familie und in anderen Bereichen der Gesellschaft erreicht werden. Deshalb wird die Forderung der KinderRÄchTsZÄnker inzwischen von vielen Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Kultur und Politik unterstützt.

Nach dem Urteil sehen die Jugendlichen von K.R.Ä.T.Z.Ä. die Möglichkeit, gegen das Verwaltungsgerichtsurteil Berufung einzulegen. Dies müsse mit dem Rechtsanwalt nach Durchsicht des schriftlichen Urteils entschieden werden. Außerdem stehe ein Wahlprüfungsverfahren ebenfalls zur Debatte.

Bereits vor drei Jahren hatte die Gruppe K.R.Ä.T.Z.Ä. eine Verfassungsbeschwerde wegen Vorenthaltung des Wahlrechts beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht. Diese war aus formalen Gründen nicht angenommen worden, weil die Klage nach Meinung des Gerichtes bereits in den 50er Jahren hätte eingereicht werden müssen, als die Kläger noch gar nicht geboren waren. Durch die Klage gegen einen aktuellen Verwaltungsbescheid sollte dies im vorliegenden Verfahren umgangen werden.


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