Antwort der CDU im Wortlaut
vom parlamentarischen Geschäftsführer Uwe Goetze


Wahlprüfsteine zum Berliner Abgeordnetenhaus
Fragenkatalog KRÄTZÄ


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Zu 1. [Wahlalter]:
Das in der Frage definierte Prinzip entspricht sicher der Auffassung des Fragestellers, ist jedoch in der deutschen Demokratiediskussion nicht vorherrschend. Vielmehr wird überwiegend festgestellt, dass unbegrenzte Mit- und Selbstbestimmung die Freiheitsrechte und auch die bestehenden Schutzfunktionen dafür gefährdet. Die kurz geführte Diskussion über die Herabsetzung der Straffreiheitsgrenze beim Geschlechtsverkehr mit Jugendlichen zeigt angesichts zahlreicher Missbrauchsfälle die Absurdität ausufernder Liberalität. Die Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre wird sicherlich auch aus wahltaktischen Überlegungen erhoben. Linke Jugendorganisationen fordern dies ebenso wie die rechtsextreme ÖVP. Da politische Willensbildung und Teilnahme nicht schlagartig, sondern bei jedem einzelnen unterschiedlich stark und zu einem anderen Zeitpunkt einsetzt, gelten die jeweiligen individuellen Begründungen für ein Wahlalter 16 sicher ebenso wie für 14 oder auch 20. Ein Beleg für ein zu hohes Wahlalter wäre die Wahlbeteiligung der Erstwähler, die aber regelmäßig niedriger ist als der Durchschnitt. Eine objektivere Betrachtung ergibt sich für die CDU daher aus dem wichtigen Zusammenhang von Rechten und Pflichten. Da würde zunächst die Abschaffung der besonderen Strafrechts-Regelungen für 18- bis 21-Jährige anstehen, was erstaunlicherweise niemand diskutiert. Hier wird wegen der teilweise fehlenden Reife und Einsichtsfähigkeit der Angeklagten noch nach dem Jugendstrafrecht geurteilt, andererseits wird diese Reife beim Wahlrecht mit 16 vorausgesetzt! Wenn sie in diesem Alter vorhanden wäre, müßte sie auch die volle Strafmündigkeit und Geschäftsfähigkeit zur Folge haben. Da auch repräsentative Meinungsumfragen bestätigen, dass ein Wahlalter 18 als angemessener Kompromiß angesehen wird, unterstützen wir Änderungswünsche nicht.

Zu 2 [Schulpflicht]:
Die in der Frage aufgestellten Behauptungen konnten wir teilweise nicht nachvollziehen. So besteht z.B. in Österreich eine neunjährige Schulpflicht [Anm. von K.R.Ä.T.Z.Ä.: In Österreich besteht keine Schulpflicht. Schüler müssen lediglich nachweisen, was sie gelernt haben.] Die in Deutschland in allen Bundesländern bestehende Schulpflicht hat sich uneingeschränkt bewährt und soll beibehalten werden. Sie gewährleistet gesellschaftliche Stabilität, weil sie allen im gleichen Alter den gleichen Zugang zur Bildung ermöglicht, was ein Beitrag zu mehr Gerechtigkeit und Chancengleichheit ist, zu größerer Selbständigkeit in Hinblick auf die berufliche Perspektive verhilft und für jeden den Zugang zur überlieferten Kultur verbessert. Schulpflicht löst auch das ansonsten bestehende Problem, was mit Kindern bei fehlender Bildungs- oder Fortbildungsbereitschaft der Eltern passiert. Bei einer reinen Bildungspflicht würden staatliche Schulen viele Kinder an Privatschulen verlieren, so dass ein höchst unterschiedliches Bildungsniveau entstehen würde mit allen negativen Auswirkungen. Kinder ohne Bildung wären von der gesellschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen und würden auf dem Arbeitsmarkt chancenlos sein, also auch nicht für ihren eigenen Lebensunterhalt sorgen können. Angesichts unserer internationalen Verflechtungen und der heute schon von den Vereinten Nationen als zu gering festgestellten Studentenquote in Deutschland würde eine Aufhebung der Schulpflicht mit Sicherheit das Bildungsniveau im Durchschnitt absenken.

Zu 3. [Schulverweigerung]:
Das Gespräch mit Schülern und Eltern, die den Schulbesuch verweigern, soll Einblicke in die Beweggründe ermöglichen, da Konflikte in der Familie, Angst vor Mitschülern, Probleme mit Lehrern, Drogenkonsum oder andere Hintergründe im Interesse der Schüler ermittelt und als Voraussetzung für einen konfliktfreien Schulbesuch abgestellt werden müssen (siehe Schulstationen). "Null Bock" ist jedoch kein relevanter Grund. Da letztlich die Eltern nicht volljähriger Kinder für ihre Kinder verantwortlich sind (Artikel 6,2 GG) und nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht zur Erziehung haben, sind die bestehenden Sanktionen richtig. Schulbildung und Schulabschluss sind die Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches Berufsleben und damit ein Stück Solidarität durch die Unabhängigkeit von staatlichen Unterstützungsleistungen, die dann später von denen wieder erbracht werden müssten, die als erstes erfolgreich die Schule besucht haben.


Zu 4. [Wahlfreiheit innerhalb der Schule]:

Diese Frage ist wie etliche andere eine Variation des Themas Abschaffung der Schulpflicht und geht daher an den aktuellen Diskussionen über die Unterrichtsinhalte in den einzelnen Fächern völlig vorbei. Die Entrümpelung der Curricula und die Straffung der Lernstoffe, der stärkere Praxisbezug, die Integration der Umweltbildung, der fehlende Unterricht zu rechtlichen Grundbegriffen und zur Wirtschaftsordnung sind die beherrschenden Fragen und nicht das vermeintliche Problem, ob man Deutsch oder Mathematik abwählen sollte. Die Kenntnisse in Rechnen, Schreiben und Lesen werden nach übereinstimmender Auffassung der Ausbildungsbetriebe und der Universitäten bei Schulabgängern immer geringer. In dieser Situation gibt es keine ernstzunehmende Diskussion über eine Abwahlmöglichkeit von Elementarfächem und solchen, die ein Mindestmaß an Allgemeinbildung bieten. Das Risiko, sich beim beruflichen Werdegang bereits zu stark zu spezialisieren, darf nicht auch noch in der Schule bestehen.


Zu 5. [Zensuren und Zentrale Abschlußprüfungen]:

Die von Ihnen gemachten Feststellungen über Zensuren kann die CDU-Fraktion nicht nachvollziehen. Daß Sie die Zensurengebung in einen Zusammenhang setzen mit Macht und dem angeblichen Abhandenkommen von Motivation, diskreditiert die Fähigkeiten und das vielfältige Engagement des allergrößten Teils der Lehrer und ihr tägliches individuelles Eingehen auf die Bedürfnisse ihrer Schüler. Zensuren sind bei verbindlichen Rahmenplänen und zentralen Prüfungen ein geeignetes Mittel zum Leistungsvergleich. Gäbe es sie nicht, würden Ausbildungsbetriebe und Universitäten mit extremen Eingangstests arbeiten, die dann die soziale Kompetenz und das Wissen ermitteln würden. Auch die Fragesteller können nicht ignorieren, dass es heute im Arbeitsleben Mindestanforderungen gibt, bei deren Unterschreiten es wenig Chancen auf eine unabhängige Lebensführung gibt. Die Erfüllung dieser Mindestanforderungen muß nun irgendwann einmal bewiesen werden und sollte daher nach unserer Auffassung auch schon in der Schule erfolgen.


Zu 6. [Schuluniformen und/oder Dress-Codes]:

Die CDU-Fraktion ist der Auffassung, dass Schulen - wenn sich die entsprechenden demokratischen Gremien Gesamtkonferenz und Schulkonferenz dafür aussprechen - Schuluniformen einführen können. Das Für und Wider der Diskussion lässt keine einheitliche Entscheidung zu, so dass dies nach den Bedürfnissen vor Ort entschieden werden sollte.


Zu 7. [Freie Schulwahl]:

Da die Antworten a) und b) zu Frage 7.) keine Alternative darstellen, sondern unterschiedliche Sachverhalte beschreiben, sind beide Punkte angegeben.
Schulgesetz und Privatschulgesetz haben sich bewährt. Im Grundschulbereich muss die wohnortnahe Schule das Ziel sein, im Sekundarbereich muss es nach Profilbildung, erster Fremdsprachenwahl, Grundschulempfehlung und vorhandenen Plätzen gehen. Wie oben schon dargestellt, sind wir aus vielen Gründen gegen eine Schule außerhalb des gesetzten Rahmens. Die Vorstellung etwa, ein zwölfjähriger Grundschüler könne besser als erfahrene Pädagogen und seine Eltern einschätzen, welchen Bildungsweg er erfolgreich beschreiten kann, obwohl er keine Kenntnisse über die vor ihm liegenden Bildungsinhalte hat, können wir nicht nachvollziehen. Hier tragen zurecht Eltern und Lehrer die Verantwortung.


Zu 8. [Finanzierung von Schulen in Freier Trägerschaft]:

Steuergelder werden für Vorhaben gewährt, die sich im Rahmen der demokratisch zustande gekommenen gesetzlichen Regelungen bewegen. Außerhalb dieses Bereiches kann jeder mit seinen oder fremden, nicht jedoch staatlichen Mitteln, machen, was er will. Daher erscheint es uns nachvollziehbar, dass nicht jede Einrichtung, die sich Schule nennt, auch als solche staatlich finanziert werden muß.
Das gültige Privatschulgesetz ist zuletzt 1998 im Einvernehmen mit allen Beteiligten geändert worden. An der bestehenden Finanzierung der vergleichbaren Personalkosten von 97% einschließlich der Sachkosten und Beschaffung für die Schulräume wollen wir festhalten, da mit der Möglichkeit einer besonderen Ausrichtung der Schule auch ein eigenes Engagement des Schulträgers verbunden sein soll. Die dreijährige Anerkennungszeit ist auch zum Schutz der Schulen und der Kinder, da die Arbeit der Schule vor einer staatlichen Finanzierung natürlich geprüft werden muß. Im übrigen unterstehen auch die Privatschulen hinsichtlich der Genehmigung und der wirtschaftlichen und rechtlichen Stellung der Lehrer der staatlichen Schulaufsicht.


Zu 9. [Genehmigung einer Schule nach dem Modell der Sudbury Valley School]:

Für die Genehmigung von Schulen ist die Schulverwaltung, nicht das Parlament oder Parteien, zuständig. Wir bitten daher um Verständnis dafür, dass wir zu einer spekulativen Befürchtung anonymer "Anhänger" ohne Begründung nicht Stellung nehmen.
Die von Ihnen im ersten Absatz genannten Prinzipien gelten übrigens auch für die Berliner Schule (öffentlich und privat). Leider haben wir ihrer Schilderung nicht entnehmen können, welchen pädagogischen Ansatz die Sudbury Valley School verfolgt.


Berlin, 19.09.01
CDU-Fraktion