Warum die Schüler in der Hørsholm-Lilleskole die Möglichkeit, sich einzubringen, nicht ausschöpfen und deshalb mit ihrer Kritik von den Lehrern nicht ernst genommen werden

Mike Weimann

Nachdem ich ganz forsch diese hoffentlich provozierende Frage als Überschrift zu meinen Dänemark-Beitrag in unser Tagebuch formuliert hatte, wird mir erst jetzt klar, daß ich hier zwei Sachen auf zweifelhafte Art und Weise vermischt habe. Die Antwort auf den ersten Teil der Überschrift (nur das ist eine Frage) kenne ich selbst nicht. Allerdings habe ich Vermutungen.

Fakt ist, daß in einer Schule wie der Hørsholm Lille Skole, viele Angelegenheiten von den Schülern geregelt werden könnten. Darunter auch solche, die den Schülern tatsächlich Pein bereiten. Aber sie kümmern sich nicht. Sie ziehen sich zurück und beklagen den mißlichen Zustand. Warum?

Entweder haben sie keine Hoffnung, daß sie wirklich etwas ändern können. Oder die Sachen stören zwar, aber da es wichtigeres gibt als die Schulangelegenheiten, übt man eben nur Kritik. Beide Erklärungsvarianten kommen sehr oft im Leben vor – auch im Leben von Leuten im Erwachsenenalter. Bei diesen hinterfragt kaum einer die Gründe für das fehlende Engagement, vielmehr heißt es dann: Realismus oder sogar: Weisheit.

Wenn ich etwas kritisiere, von dem ich betroffen bin, für das ich aber nicht zuständig bin, möchte ich trotzdem ernstgenommen werden. Und an dieser Stelle machen die Lehrer einenFehler. Ihre Sichtweise ist allzusehr von ihrer Wunschvorstellung geprägt, daß in IHRER Schule von ihnen alles so gut und neu geregelt ist, daß die Schüler gleichberechtigt sind und echte Chancen haben. Sie übersehen jedoch, daß ihre (besten) Vorsätze, den Kindern helfen zu wollen, von diesen anders aufgefaßt werden. Hilfe kann keinem aufgezwungen werden. Deutlich wird dieser Zusammenhang beim Vergleich mit erwachsenen Zeitgenossen. Wenn mir jemand irgendetwas – seiner Meinung nach – Gutes tun will, ohne mich zu fragen, reagiere ich skeptisch. Wenn sein Angebot mein Interesse nicht trifft, wende ich mich ab. Und diese Möglichkeit haben die Schüler in der Lille Skole eben nicht. (Auch wenn das zwar offenbar in Dänemark nicht in erster Linie an den Lehrern sondern an den Eltern liegt.) Und wenn sie diese Situation oder eine andere Sachfrage kritisieren und dann nicht ernst genommen werden, müssen sie ja zu dem Schluß kommen, sich erst recht nicht mehr einzumischen. Und schon ist es ein Teufelskreis.

Mich bewegt das Thema deshalb sehr, weil es auch viel mit der Lage bei K.R.Ä.T.Z.Ä. zu tun hat. Bei uns haben alle (!) sehr viele Möglichkeiten, sich zu engagieren, Sachen zu verändern, Verantwortung zu übernehmen usw. Aber viele tun längere Zeit nichts oder wenig oder sogar niemals etwas Krätzisches. Wenn andere dann versuchen, auf diese „Nichtstuer“ (sie machen ja nicht nichts sondern anderes) Druck auszuüben, führt das fast nie zu dem gewünschten Engagement. Eher sinkt lediglich die Stimmung - wie in der Schule in Hørsholm. Der riesige Unterschied zu K.R.Ä.T.Z.Ä. besteht jetzt aber darin, daß die Kritik der „Nichtstuer“ immer wieder Anlaß ist, um mit allen zu besprechen, wie es mit K.R.Ä.T.Z.Ä. weiter gehen soll. Dabei können alle mitreden und Vorschläge machen. Das, was am meisten Zustimmung bekommt, wird gemacht.

Und deshalb müßte der Titel dieses Textes heißen:

Warum die Schüler in der Hørsholm-Lilleskole die Möglichkeit, sich einzubringen, nicht ausschöpfen und deshalb mit ihrer Kritik von den Lehrern erst recht ernst genommen werden müßten! Nur so kann der Teufelskreis durchbrochen und die Hoffnung auf tatkräftiges Engagement wiederbelebt werden.