Laßt Kinder sich ihren Lernort selbst wählen
Denn sie müssen's ausbaden

Martin Wilke

Das öffentliche Bildungswesen Deutschlands wird weitestgehend vom Staat bestimmt. In anderen Ländern sind es vorwiegend die Eltern, die das Sagen haben, so auch im von uns besuchten Dänemark. Neben vielen gravierenden Unterschieden beider Varianten gibt es auch Gemeinsamkeiten. Eine der entscheidendsten Gemeinsamkeiten ist, daß Kinder und Jugendliche sich ihre Bildungsstätte nicht selbst aussuchen dürfen.

Eine freiheitlich-demokratische, also eine auf den Prinzipien von Selbstbestimmung und Mitbestimmung aufbauende Gesellschaft, muß logischerweise auch ihr Bildungssystem auf diese Grundlage stellen. Kinder und Jugendliche müssen folglich im Rahmen des organisatorisch Möglichen selbstbestimmt entscheiden dürfen, was sie lernen und wo, wann, wie und von wem sie es lernen.

Die in Deutschland sehr weitreichenden Kompetenzen des Staates einfach auf die Eltern zu übertragen, käme in einer wirklich freiheitlichen Gesellschaft nicht in Frage. Denn Fremdbestimmung bleibt Fremdbestimmung, egal von wem sie ausgeübt wird.

Einerseits bringt das vergleichsweise pluralistische Bildungssystem Dänemarks vielen Kindern Vorteile, weil ihre Eltern sie in freie Schulen gehen lassen, die hier gar nicht möglich wären. Andererseits - und das ist der Nachteil - landen manche Kinder gegen ihren Willen in Schulen, die die staatlichen an Leistungsdruck und Unterdrückung noch um einiges übertreffen. Verhindert werden kann dies in einer vielfältigen Schullandschaft nur, wenn die tatsächlich Betroffenen - die Schüler - sich ihre Schule selbst aussuchen dürfen. Wenn es Schulen gibt, die intern undemokratisch organisiert sind, so muß der Schüler doch wenigstens frei entscheiden dürfen, ob er sich dem aussetzt. Es kann schließlich nicht sein, daß die jungen Menschen von der Willkür bzw. Gnade ihrer Eltern abhängig sind.

Aufgabe des Staates wäre es, den Überblick zu behalten und dafür zu sorgen, daß entsprechend der Nachfrage genügend Bildungsangebote vorhanden sind. Außerdem wäre der Staat dafür zuständig, private und freie Schulen bzw. Bildungsinitiativen zu finanzieren.

Aufgabe der Eltern wäre es, ihre Kinder bei der Wahl der Bildungsangebote zu beraten, ihnen mögliche Folgen zu erklären. Wenn Eltern die Entscheidung ihres Kindes für falsch halten, können sie versuchen, es zu überzeugen. Zwang ausüben dürften sie nicht mehr.

Fehlentscheidungen von Kindern wird es sicher geben. Schwerwiegende negative Folgen können daraus aber kaum entstehen. Wenn Kinder merken, daß sie in einer blöden Schule gelandet sind oder in Kursen, die sie überfordern, können sie immer noch wechseln. Im Übrigen treffen auch jetzt viele Eltern Fehlentscheidungen bei der Schulauswahl, weil sie sich auch nicht besser auskennen als ihre Kinder.

Nur wer Verantwortung übernehmen darf, lernt mit ihr umzugehen. Auch für Kinder muß gelten: Freiheit, solange die Freiheit anderer nicht eingeschränkt wird. Wenn junge Menschen über ihre Bildung selbstbestimmen dürfen, wäre dies ein wichtiger Schritt in Richtung allgemeine Selbstbestimmung von Kindern und Jugendlichen. Im ungünstigsten Fall wird es nur nicht viel besser als jetzt, schlechter wird es nicht.