28. November 2006
Schulsystem fördert Aggression
Kinderrechtsgruppe sieht Schulsystem als Hauptursache für Amoklauf in Emsdetten

Mit der Demokratisierung des Schulsystems könne Aggressionen von Schülern entgegengewirkt werden. Auch das Mobbing in der Schule und die Perspektivlosigkeit des Emsdettener Amokläufers wären nicht unbemerkt geblieben, sagen die Berliner KinderRÄchTsZÄnker (KRÄTZÄ).

Für die Tat sei der Täter Bastian B. selbst voll verantwortlich, das Hauptmotiv seien jedoch seine Schulerfahrungen. So schrieb er in seinem Weblog:

"Das 5.-8. Schuljahr war das extremste, jetzt hat es sich gelegt, es ist nicht mehr so schlimm. Doch die Wunden sind geblieben, nicht nur Körperliche, nein, meist seelische Wunden, und die Frage: Warum hat man das getan, quält mich ebenfalls noch heute?" Erst als ihm Mitschüler einen glühenden Fahrradschlüssel auf die Hand drückten, habe der Schulleiter Anzeige erstattet.

Zentrales Motiv für seine Tat sei für Bastian ein andauernder Eingriff in seine persönlichen Freiheitsrechte gewesen, so KRÄTZÄ. In diesem Zusammenhang kritisiere er in seinem Abschiedsbrief ausdrücklich auch die Schulpflicht: "Schulpflicht ist die Schönrede von Schulzwang...Wer gezwungen wird, verliert ein Stück seiner Freiheit." Die staatlichen Lehrpläne, so KRÄTZÄ, förderten die Illusion, deren Inhalte seien für jeden wichtig. Wer sich für andere Dinge interessiere, bekomme so das Gefühl, Versager zu sein, wie Bastian B.: "Das einzigste was ich intensiv in der Schule beigebracht bekommen habe, war, das ich ein Verlierer bin."

Zwar sei der Abschiedsbrief teilweise wirr und hasserfüllt, jedoch lasse er Rückschlüsse auf die Motive des Amokläufers zu. Sein Inhalt sollte in der aktuellen Debatte um die Konsequenzen aus der Tat mehr beachtet werden, um die richtigen Veränderungen einzuleiten und weiterer Gewalt vorzubeugen.

KRÄTZÄ setzt sich für ein Schulsystem ein, in dem Schüler das Recht haben, sich auch für andere Lernformen und Lerninhalte zu entscheiden. Schulen sollten wie Demokratien funktionieren: Lehrer und Schüler sollten gleiche Rechte haben und in Schulangelegenheiten gleichberechtigt mitbestimmen können. Schüler sollten größtmöglichen Einfluss auf ihre Lerninhalte haben, um ihre Interessen zu finden und um ihre individuellen Fähigkeiten optimal entfalten zu können. KRÄTZÄ hat viele Schulen dieser Art weltweit besucht und darüber berichtet.

· http://kraetzae.de/schule/

Die Kinderrechtsgruppe KRÄTZÄ weist seit längerem auf die Menschenrechtsverletzungen hin, die vom Schulsystem ausgehen. So verglich sie in ihrem Menschenrechtsreport "Die Diskriminierung des Kindes" die Situation in Deutschland mit den Artikeln der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.

· http://www.kraetzae.de/menschenrechtsreport/


Weitere Informationen:
· Kopie des ungekürzten Abschiedsbrief von Sebastian B. bei Telepolis