Widerspruch der Schulverwaltung
Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport Storkower Str. 133 10407 Berlin Bearbeiter: Herr Schmidt Geschäftszeichen: II E 18-143/96 Datum: 24.9.1996 Eingegangen: 27.9.1996 Rechtsanwalt Jens A. Brückner Moselstraße 3 12159 Berlin Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt, gegen die Ablehnung des Antrages Ihres Mandanten, Herrn Benjamin Kiesewetters, auf Befreiung von der Teilnahme am Unterricht im Fach Chemie durch die Robert-Blum-Oberschule am 4. März 1996, legten Sie mit Schreiben vom 14. Juni 1996 Widerspruch ein. Nach Abschluß unserer Prüfung erteilen wir Ihnen auf Grund des Paragraphen 73 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) folgenden Widerspruchsbescheid: Der Widerspruch wird zurückgewiesen. Begründung: Aus dem Begriff der staatlichen Schulaufsicht des Artikel 7 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) legitimiert sich die Befugnis des Staates, System und Struktur der öffentlichen Schule sowie deren Erziehungs- und Unterrichtsziele zu bestimmen. Diese Verfassungsnorm ist u.a. im Schulgesetz für Berlin (SchulG) und dem Gesetz über die Schulverfassung für die Schulen des Landes Berlin (SchulVerfG) ausgestaltet und wird in Rechts- und Verwaltungsvorschriften weiter konkretisiert. Das Elternrecht bzw. das Selbstbestimmungsrecht des Schülers wird insoweit zulässigerweise eingeschränkt. Schüler (oder ihre Eltern) sind nicht befugt, über Vorzüge und Schwächen des geltenden Schulsystems mit dem Anspruch zu befinden, sich - ganz nach Belieben und persönlicher Präferenz - subjektiv uninteressanteren oder auch nur schwierigeren, aber verbindlichen Unterrichtsfächern gänzlich oder teilweise zu entziehen. Paragraph 28 Abs. 1 SchulVerfG verpflichtet jeden Schüler unabhängig davon, ob er noch schulpflichtig ist, regelmäßig am verbindlichen Unterricht nicht nur teilzunehmen, sondern sogar mitzuarbeiten. Diese Verpflichtung gebietet der Gleichbehandlungsgrundsatz, aber auch die Notwendigkeit, einen ordnungsgemäßen Ablauf des Schulalltags zu gewährleisten. Konstruktiver Unterricht erfordert gewisse "Spielregeln", nach denen sich der einzelne Schüler im Interesse der Gemeinschaft mit anderen einzuordnen hat. Anders als beim Sportunterricht, dessen Teilnahme manche moslemische Schülerin in "unzumutbare Glaubenskonflikte" stürzen mag, ist beim Fach Chemie wohl unstrittig kein besonderes Spannungsfeld zwischen Religionsfreiheit bzw. Elternrecht und dem Bildungs- und Erziehungsauftrag des Staates erkennbar. Es ist uns daher nicht möglich, die beanstandete Entscheidung aufzuheben. Rechtsbehelfsbelehrung: Gegen die Entscheidung der Robert-Blum-Oberschule vom 4. März 1996 ist die Klage vor dem Verwaltungsgericht zulässig. Die Klage ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Widerspruchsbescheides bei dem Verwaltungsgericht Berlin, Kirchstraße 7, 10557 Berlin, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten einzulegen; der Klageschrift soll eine Abschrift beigefügt werden. Die Klage ist gegen das Land Berlin, vertreten durch das Landesschulamt, Storkower Straße 133, 10407 Berlin, zu richten. Es wird darauf hingewiesen, daß bei schriftlicher Klageeinlegung die Klagefrist nur dann gewahrt ist, wenn die Klage innerhalb dieser Frist bei dem Verwaltungsgericht eingegangen ist. Hochachtungsvoll Im Auftrag Teiche |