Pressemitteilung

7. November 2000
Willkommen im Knast
Protest gegen die Schulpflicht
Kinderrechtsgruppe vergleicht Schule mit Gefängnis
Am Montag haben Mitglieder der Berliner Kinderrechtsgruppe K.R.Ä.T.Z.Ä. (KinderRÄchTsZÄnker) vor der Kurt-Schwitters-Gesamtschule im Bezirk Prenzlauer Berg eine Protestaktion gegen die Schulpflicht durchgeführt. Die Aktion wird an anderen Schulen in den nächsten Tagen fortgesetzt.

Mit einem Transparent, auf dem "Willkommen im Knast" zu lesen war, stellten sich die Jugendlichen vor das Schultor und verteilten an die Schüler, die zum ersten Schultag nach den Herbstferien kamen, Flugblätter, auf denen sie auf die "Gemeinsamkeiten von Schule und Gefängnis" hinweisen.

So heißt es in dem Text: "Das Hauptmerkmal von Gefängnissen - nämlich, daß Menschen zur Anwesenheit verpflichtet werden - trifft auf Schulen auch zu. Schüler werden durch die Schulpflicht gezwungen, mindestens 10 Jahre ihres Lebens in der Schule zu verbringen - egal ob es ihnen dort gefällt oder nicht."

Damit verletze die Schule die Grundrechte auf Freiheit der Person, die Versammlungsfreiheit und das Verbot der Zwangsarbeit. Auch die Meinungsfreiheit, das Recht auf Eigentum und das Postgeheimnis würden immer wieder verletzt.

Des weiteren kritisieren die Kinderrechtler die Machtposition der Lehrer: "Schüler werden bevormundet und häufig nicht ernst genommen. Es wird in vielen Fällen Gehorsam verlangt. Wer auffällt, weil er sich nicht alles gefallen läßt, muß oft mit zusätzlichen Schikanen rechnen."

Schüler seien wie Gefangene an einen starren Tagesablauf gebunden und stünden unter ständiger Überwachung, wodurch sie faktisch entmündigt würden. Darüber hinaus ähnele sogar die Architektur vieler Schulen der von Gefängnissen.

Eine große Zahl von Schülern sei unzufrieden. Nach Ansicht von K.R.Ä.T.Z.Ä. "tragen diese Ungerechtigkeiten und Zustände außerdem nicht dazu bei, im Leben später / draußen klarzukommen." Die KinderRÄchTsZÄnker üben jedoch nicht ausschließlich Kritik. Sie verweisen immer wieder auf "Demokratische Schulen" im Ausland, in denen jeder Schüler und jeder Mitarbeiter eine Stimme hat und "niemand zum Lernen gezwungen wird".

Die Jugendlichen von K.R.Ä.T.Z.Ä. hatten in der Vergangenheit mehrere alternative Schulen in Dänemark, Österreich und England besucht und dabei festgestellt, daß sie funktionierende Alternativen zum "deutschen Zwangsschulsystem" darstellen.

Die in Berlin zur Zeit diskutierten und geforderten Veränderungen im Schulbereich (mehr Lehrer bzw. weniger Unterrichtsausfall und kleinere Klassen, jüngere Lehrer, mehr Geld für Reparaturen und Lehrbücher und ähnliches) seien nicht geeignet, die prinzipiellen Mängel des Schulsystems zu beseitigen.

Die "Willkommen-im-Knast"-Aktion soll in den kommenden Tagen an weiteren Schulen wiederholt werden. Insgesamt sind mindestens elf Schulen in Prenzlauer Berg, Friedrichshain, Mitte, Kreuzberg und Tiergarten vorgesehen.

Die KinderRÄchTsZÄnker setzen sich für die Ersetzung der Schulpflicht durch ein Recht auf Bildung ein, das auch den Eltern gegenüber durchsetzbar sein soll.

1996 hatte ein Mitglied der Gruppe sieben Monate lang den Chemie-Unterricht verweigert und gegen die Schule geklagt, um gegen die "Sinnlosigkeit des Zwangslernens" zu protestieren. Dies hatte bundesweit für Aufmerksamkeit gesorgt.


Bitte rufen Sie uns unter 030 44 797 22 an oder lesen Sie im Internet weiter: http://www.kraetzae.de/schule.htm Dort finden Sie u.a. Bilder mit unserem Transparent, Informationen zu Schulkritik und Schulalternativen.

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